Keine Sportart erhitzt die Gemüter so sehr wie Fußball, er eint die Fans und macht die Gegner zu erbitterten Feinden. Es ist daher nicht verwunderlich, dass dieser Sport zum Instrument benützt wird, Menschen zu manipulieren. Große Namen aus der Wirtschaft werden als Mäzene der bedeutenden Fußballvereine genannt, die jedoch bei genauer Betrachtung nicht uneigennützig ihr Geld investieren und auch fast ausnahmslos nicht, um Profite zu erzielen, sondern um ideelles Kapital zu schaffen. Marcel Mauss fragt in seiner berühmten Studie „Die Gabe“ nach der Kraft, die einem Geschenk innewohnt und bewirkt, dass es erwidert wird. An Hand von Beispielen zeigt er, dass in den meisten Fällen auch scheinbar altruistische Gaben einem Zweck dienen: Sie verleihen Prestige, dienen der Aufrechterhaltung von Sozialverhältnissen oder dem Eingehen neuer Verbindungen. Geschenke umfassen zudem nicht nur Wirtschaftsgüter, sondern auch symbolische Dinge, die eine eigene Kraft entfalten können, die Geber und Empfänger miteinander verbindet. Die aus den Investitionen resultierenden Gewinne sind vielfältig. Eine Ausnahme ist offenbar der amerikanische Spekulant Malcom Glazer, der neue Besitzer des traditionsreichen Klubs Manchester United. Der 76 jährige gilt als besonders geizig, der trotz einem geschätzten Privatvermögen von 800 Millionen Euro nur 20 Dollar Hosen der Billigmarke JC Penney trägt. Gegen den Willen der Vereinsführung erwarb Glazer zwischen 2003 und 2005 einen Großteil der Aktien des 126 Jahre alten Fußballclubs, der damit keine finanzielle Besserstellung erreichte, sondern den Klub in Schulden stürzte, denn er finanzierte den 1,2 Milliarden Euro teuren Kauf mit Schulden, die er auf den bisher schuldenfreien Verein und das eigene Stadion Old Trafford eintragen ließ. Um die jährliche Zinsenlast von 33 Millionen Euro
zu tragen, mussten bereits 20 Angestellte gekündigt werden und die Spielergagen um 16 Millionen Euro gesenkt werden. Dazu werden in den kommenden 5 Jahren die Eintrittspreise von bisher 37 Euro auf 66 Euro steigen. Bei dieser Kalkulation scheint Malcolm Glazer, der nie ein Spiel des von ihm erworbenen Vereins gesehen hat, als finanzieller Gewinner auszusteigen, aber noch ist das letzte Wort der illustren Fangemeinde nicht gesprochen. Ganz anders und ein wahres Familienerbe ist das Engagement der Familie Agnelli für den italienischen Spitzenverein
Juventus Turin. 1923 ging Edoardo Agnelli eine Partnerschaft mit dem erfolglosen Verein ein und wurde dessen Präsident. Dank der finanziellen Unterstützung wurde die Mannschaft verstärkt und wurde 28 mal italienischer Meister. Nach dem Tode Edoardos folgten seine Söhne Giovanni „Il Avvocato“ und sein Bruder Umberto, die bis zu ihrem Tode 2003 wie 2004 als Ehrenvorsitzende wirkten. Die Familien – Patronanz beschränkte sich nicht nur auf wirtschaftlicher, sondern auch auf politischer Ebene durch die enge Verknüpfung des Klub mit der Stadt Turin. Zur Zeit führt Juventus der der Familie nahe stehende Rechtsanwalt Franzo Grande Stevens für die Enkelsöhne Andrea Agnelli und Lapo Elkan. Zum Unterschied zu Glazer waren die Agnellis immer mit dem Verein und der Mannschaft verbunden und dadurch als Industrielle von der riesigen Fangemeinde geachtet. Ein Prestigegewinn, der bei dem wechselhaften politischen Geschehen in Italien besonders wertvoll war. Ähnlich gelagert ist das symbolische Kapital, das Silvio Berlusconi mit seiner Investition von 20 Millionen Euro bei dem maroden Traditionsklub AC Milan im Jahre 1986 erwirtschaftete. Berlusconi, Sohn einer Mailänder Kleinbürger – Familie, war zwar sportlich nie besonders interessiert, aber er wusste um das enorme Interesse der Fans und als „Patron“, der den Verein wieder an die Spitze führen konnte, nutzte er dies für Medieninszenierungen, womit er die Marktanteile seiner TV – Sender
hob und Stimmen für seine Forza Italia – dem Slogan der italienischen Nationalmannschaft! –
sammelte. Sein Engagement als „Patron“ hob vor allem sein umstrittenes Image, das ihn immer wieder in Mafia – Nähe rückte und das seinem Einstieg in die Politik mehr als hinderlich war.
So fungierten Fanclubs des AC Milan im Wahlkampf gar als Parteizentren! Als Mobilisierungs –
Ressource diente Fußball während der Jugoslawien – Krise. Milizenführer Zljko Raznatovic, besser bekannt als der Schlächter „Arkan“, rekrutierte viele seiner Kämpfer aus der Anhängerschaft des beliebten Klubs „Roter Stern Belgrad“, „Patenkind“ der Belgrader Polizei. Arkan war Vorsitzender der Fangemeinde und konnte sein Image als europaweit gesuchter Mörder und Bankräuber über die Fußball – Begeisterung aufpolieren. Obendrein wurde seine besonders grausame, aber erfolgreiche Milizgruppe, die „Tiger“, in einem Polizeistützpunkt in der Stadt Erdut ausgebildet – sie sind für mehr als 2000 Morde verantwortlich. Ganz anders sind die Interessen des reichsten russischen Oligarchen Roman Abramovich gelagert. Sein noch in der Jelzin – Ära unter der Patronanz von Medienmogul Boris Berezovski akkumuliertes Vermögen wies, wie bei anderen, zu plötzlichem Reichtum gekommenen Oligarchen, Schwachstellen auf, die einer Finanzüberprüfung der Putin – Ära nicht standgehalten hätten. Nach Putins Machtübernahme floh Berezovski nach London, Abramovich aber unterstützte großzügig seit 2004 den Fußballklub ZSKA Moskau mit 15 Millionen Euro, um seinen Patriotismus zu dokumentieren. Um den Steuerbehörden zu entgehen, bündelte Abramovich sein Vermögen in der in London ansässigen Dachgesellschaft Millhouse Capital und kaufte für 210 Millionen Euro den vornehmen Fußballverein Chelsea London, zu dessen Anhängern Vertreter der britischen Wirtschaftselite wie Politiker der konservativen Tory – Fraktion gehören. Abramovich investierte mehr als 350 Millionen Euro, stärkte die Mannschaft mit europäischen Spitzenfußballern, die er zwar zu teuer erwarb, die aber dem Verein 2005 erstmals seit 40 Jahren
den englischen Meistertitel brachten. Sein Streben, der englischen Elite anzugehören, zeigt auch der Erwerb eines Prachtwohnsitzes um 38 Millionen Euro, sowie eines Hotels und Nachtklubs.
Roman Abramovich, das Waisenkind aus Sibirien, ist auch bestrebt, seine drei Kinder in England ausbilden zu lassen. Ebenso nützen die in der Ukraine ansässigen Oligarchen ihre Investitionen in den populären Fußball, um ihre gesellschaftliche und soziale Position zu festigen. Der elegante Hryhoryj Surkis, allerdings mit einem besonders üblen Leumund aus seiner Vergangenheit, erwarb den europäischen Spitzenverein Dynamo Kiew 1993, förderte ihn mit mehr als 100 Millionen Euro aus Privatbesitz und führte ihn 1999 bis ins Halbfinale der Champions League. Trotz gegenteiliger Äußerungen Surkis gilt Dynamo Kiew als lukratives Unternehmen, das dank seiner erfolgreichen Talentförderungen in den letzten Jahren Spieler im Wert von über 50 Millionen Euro ins Ausland transferieren konnte. An der Spitze der Donezker
Oligarchen – Clique konnte sich das Bergarbeiterkind tartarischer Abstammung, Rinat Achmetov etablieren, der laut Forbes mit einem Vermögen von 1,7 Milliarden Dollar reichster Mann der Ukraine ist. Er investierte in seinen Heimatverein Schachtjor Donezk seit 1996 mehr als 250 Millionen Euro, der neben Dynamo Kiew den ukrainischen Fußball dominiert. Er ließ das modernste Trainingszentrum Osteuropas errichten und förderte den Bau eines Internates für 3000 Talente aus der Region. Derzeit baut der Verein ein neues Stadion für 50.000 Zuschauer um 150 Millionen Euro! So wie bei Surkis sind auch Achmetovs dunkle Punkte aus der Vergangenheit übertüncht, denn Popularität und daraus resultierende politische Funktionen schaffen Immunität. Mit Ausnahme der Agnellis ist die Herkunft der Reichtümern der genannten Plutokraten eng mit kriminellen Machenschaften verbunden, doch sie – und so manche andere – haben es meisterhaft verstanden, sich mit ihrem Engagement im populären Fußball aus dieser Falle zu befreien.
Beatrix Schönfeld – Pfennigbauer