Bericht über die Konferenz: Stärkung der Rechte afghanischer Frauen durch Bildung und Beschäftigung vom 23.05.205 und 24.05.205

Übersetzung des Berichts der Konferenz vom 23.05.205 von der VIDC-Homepage (www.vidc.org)

Gegen Geschlechterapartheid in Afghanistan – Afghanische Frauen fordern Bildung, Rechte und internationale Solidarität

„In einer Zeit, in der die Welt über Künstliche Intelligenz und Reisen zum Mars spricht, kämpfen afghanische Frauen immer noch für das grundlegendste Recht auf Bildung. Wir sollten wütend sein, wir sollten laut sein, wir sollten handeln“, erklärte die afghanische Frauenrechtsaktivistin Tahmina Salik bei einem Empfang im Wiener Rathaus am 23. Mai 2025.

Dem Empfang folgte eine ganztägige Konferenz mit dem Titel „Gegen Geschlechterapartheid: Förderung von afghanischen Frauen und Mädchen durch Bildung und Arbeit“, organisiert vom Afghanischen Kulturverein – AKIS in Kooperation mit dem VIDC, der Arbeiterkammer Wien und der Frauensektion des Österreichischen Gewerkschaftsbundes. Über 100 Personen – darunter afghanische Frauenrechtsaktivistinnen, Vertreter:innen verschiedener afghanischer Diaspora-Organisationen in Europa, ehemalige Regierungsmitglieder Afghanistans, Mitglieder des Wiener Gemeinderats, Diplomatinnen und Diplomaten, Mitarbeitende von Migrant:innenberatungsstellen und internationale Organisationen – nahmen an der Veranstaltung teil.

„Die Taliban zu legitimieren, zivilisiert ihre Brutalität nicht.“

Seit dem Abzug der NATO-Truppen und der Machtübernahme der Taliban im August 2021 hat das Regime über 100 Erlässe erlassen, die die systematische Verfolgung von Frauen und Mädchen in Afghanistan zementieren – ausschließlich auf Grundlage ihres Geschlechts. Diese Dekrete beschränken massiv ihre Bewegungsfreiheit, Präsenz im öffentlichen Leben sowie ihren Zugang zu Bildung, Gesundheitsversorgung und Arbeit. Im Juli 2024 wurden diese Maßnahmen im sogenannten „Sittengesetz zur Förderung der Tugend und Verhinderung des Lasters“ gesetzlich festgeschrieben, das unter anderem strikte Kleidungsvorschriften vorschreibt und Frauen das Singen und die Teilnahme am öffentlichen Leben untersagt.

„Allein durch das Betreten dieses Raums – wäre ich in Afghanistan – hätte ich mehrere Gesetze gebrochen: angefangen bei meiner Kleidung über das Sprechen mit Männern bis hin zu der Tatsache, dass ich über Frauenrechte spreche“, betonte Salik. „Was wäre meine Strafe? Wahrscheinlich Gefängnis. Ich will mir nicht vorstellen, was noch.“

Die Menschenrechtsverteidigerin Shagofah Ghafori warnte vor einem System radikaler Indoktrinierung: „Die Taliban machen aus Schulen Zentren des Extremismus.“ Die Gefahr der Radikalisierung bleibe nicht auf Afghanistan beschränkt. Gleichzeitig kritisierte sie die internationale Gemeinschaft, die über eine Anerkennung der Taliban nachdenkt: „Als ob ihre Legitimierung ihre Brutalität zivilisieren könnte.“

Aufruf zu politischen und rechtlichen Maßnahmen gegen die Taliban

Die afghanische Botschafterin in Österreich, Manizha Bakhtari, erklärte, dass jedes System, das Frauen und Mädchen systematisch aus dem öffentlichen Leben ausschließt, als Geschlechterapartheid einzustufen sei. Es brauche rechtliche Instrumente, die geschlechtsspezifische Verfolgung als solche anerkennen. Die internationale Kodifizierung von Geschlechterapartheid als Verbrechen gegen die Menschlichkeit würde es ermöglichen, die Taliban juristisch zur Verantwortung zu ziehen und Staaten davon abhalten, die Taliban als Regierung zu normalisieren.

Auch Magda Seewald vom VIDC Global Dialogue sprach sich in ihrer Rede klar für die afghanische Diaspora und ihre Kampagnen gegen die Geschlechterapartheid aus. Ziel sei es, betroffenen Frauen einen rechtlichen Rahmen zu bieten, um die Täter – die Taliban – nach internationalem Recht zur Rechenschaft zu ziehen. Das kürzlich veröffentlichte VIDC Policy Brief „Gender Apartheid in Afghanistan“ enthält konkrete Handlungsempfehlungen für Entscheidungsträger:innen in Österreich und der EU und soll als Advocacy-Tool dienen.

Aufruf zu weltweiter Solidarität mit afghanischen Frauen

Ghousuddin Mir, Vorsitzender von AKIS und Hauptorganisator der Konferenz, betonte, dass seine Gedanken trotz seines sicheren Lebens in Österreich stets bei den Frauen in Afghanistan seien. Er verurteilte das politische Kalkül der internationalen Gemeinschaft: „Ich verstehe nicht, wie die Welt mit den Taliban verhandeln will – das ist schwer zu ertragen.“

Palwasha Kakar, ehemalige stellvertretende Ministerin für Frauenangelegenheiten in Afghanistan, sprach über das fundamentale Recht auf Bildung. Sie erinnerte an ihre Großmutter, die vor einem Jahrhundert eine Mädchenschule in ihrem Heimatdorf gründete – heute hingegen seien Frauen gezwungen, wieder für ihre elementarsten Rechte zu kämpfen. Ihre Botschaft war eine der Hoffnung und Widerstandskraft.

Auch Andrea Mautz, in Vertretung von Bürgermeister Michael Ludwig, drückte ihre Solidarität aus und betonte Wiens klare Haltung: „Frauenrechte sind Menschenrechte.“ Eine gerechte Gesellschaft könne nur mit Geschlechtergerechtigkeit existieren. Ähnlich argumentierte Asiye Sel von der Arbeiterkammer Wien: Die Unterdrückung afghanischer Frauen sei kein nationales, sondern ein globales Problem, das kollektives Handeln erfordere. Karin Zimmermann vom ÖGB ergänzte: „Echte Gewerkschaftsarbeit heißt, zuzuhören – nicht über Menschen zu sprechen, sondern mit ihnen.“

Empowerment afghanischer Frauen in Österreich und Sensibilisierung von Männern

Die Konferenz nahm auch die Situation afghanischer Frauen in Österreich in den Blick. Viele kämpfen hier mit Mehrfachdiskriminierung, erschwertem Arbeitsmarktzugang und Integrationsbarrieren. Sie leisten jedoch aktiven Widerstand gegen das Taliban-Regime – durch Bildung, digitale Kampagnen und zivilgesellschaftliches Engagement.

Maryam Singh, Leiterin des Beratungszentrums für Migrant:innen, betonte die Vielfalt innerhalb der afghanischen Community. Viele gut ausgebildete Frauen seien durch Familiennachzug nach Österreich gekommen, doch ihre Qualifikationen würden oft nicht anerkannt. Empowerment könne nur gelingen, wenn patriarchale Strukturen auch hierzulande thematisiert würden: „Wir müssen auch mit Männern arbeiten, um nachhaltigen Wandel zu erreichen.“

📌 Dieser Beitrag wurde auf Basis eines Artikels der VIDC-Homepage ins Deutsche übersetzt. Originaltext: Speaking Out from Vienna: Against Gender Apartheid in Afghanistanwww.vidc.org

Konferenz am 24.05.2025

Am 24. Mai 2025 fand in Wien eine hochkarätig besetzte Konferenz unter dem Titel „Stärkung von Frauen und Mädchen aus Afghanistan durch Bildung und Arbeit“ statt. Veranstaltet wurde die Konferenz vom Österreichischen Gewerkschaftsbund (ÖGB) in Zusammenarbeit mit dem Verein AKIS und dem VIDC.

Eröffnung und Hauptbeiträge

Die Konferenz wurde mit Grußworten von Ghousuddin Mir (Verein AKIS) und Michael Fanizadeh (VIDC) eröffnet. Anschließend folgten Impulsreferate namhafter Persönlichkeiten aus Politik, Zivilgesellschaft und internationalen Organisationen:

  • Pelwasha Kakar, ehemalige stellvertretende Ministerin für Frauenangelegenheiten in Afghanistan, sprach über die zentrale Bedeutung von Bildung für die Selbstbestimmung afghanischer Frauen.
  • Shogofa Ghafoori beleuchtete Herausforderungen und Chancen für Mädchen und Frauen in Afghanistan.
  • Elisabeth (Arbeitsinspektion) und Asiya Seyl (AMS Wien) stellten Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitsmarktintegration von Migrantinnen in Wien vor.
  • Frau Tolou berichtete über erfolgreiche Integrationsarbeit afghanischer Frauenvereine in den Niederlanden.
  • Fariba Sadeq stellte das afghanische Frauenmagazin „Banoo“ vor und diskutierte dessen Beitrag zur Stärkung weiblicher Stimmen.

Thematische Workshops

Im Mittelpunkt der Konferenz standen drei Workshops, die zentrale Aspekte der Frauenförderung beleuchteten:

1. Bildung und Empowerment in Afghanistan

Die Teilnehmer:innen betonten einstimmig, dass die Bildungspolitik der Taliban eine massive Verletzung der Menschenrechte darstellt. Der Ausschluss von Mädchen und Frauen aus dem Bildungswesen gefährdet nicht nur deren persönliche Entwicklung, sondern auch die Zukunft des gesamten Landes.

Forderungen:

  • Entschlossenes Eintreten der internationalen Gemeinschaft für Bildungsrechte von Frauen und Mädchen in Afghanistan
  • Aufbau internationaler Bildungsprogramme zur Wiederherstellung von Gerechtigkeit und Teilhabe

Konkrete Vorschläge:

  • Unterstützung privater Mädchenschulen
  • Aufklärungskampagnen zu Frauenrechten
  • Einbindung von Männern in Gleichstellungsprozesse
  • Lokale Radiosender zur Verbreitung von Bildungs- und Informationsinhalten
  • Förderung von Fraueninitiativen zur Stärkung der eigenen Community

2. Zugang zum Arbeitsmarkt in Österreich

Im zweiten Workshop wurden strukturelle Herausforderungen für afghanische Geflüchtete bei der Integration in den österreichischen Arbeitsmarkt thematisiert. Besonderer Fokus lag auf Bildungsbarrieren, mangelnden Kinderbetreuungsangeboten und unzureichenden Sprachkursen.

Schlüsselprobleme:

  • Niedrige formale Bildung bei vielen nach 2015 angekommenen Geflüchteten
  • Eingeschränkter Zugang zum Arbeitsmarkt – auch für gut qualifizierte Personen
  • Fehlende Betreuungseinrichtungen erschweren besonders Frauen die Teilnahme an Bildungs- und Arbeitsprogrammen

Empfehlungen:

  • Ausbau berufsbildender Maßnahmen für geringqualifizierte Geflüchtete
  • Transparente und schnellere Anerkennung ausländischer Qualifikationen
  • Erweiterung der Kinderbetreuungsangebote zur Förderung weiblicher Teilhabe

3. Die Rolle afghanischer Frauen in der Diaspora

Dieser Workshop gab afghanischen Frauen in Europa Raum, ihre Erfahrungen, Anliegen und Vorschläge zu teilen. Ihre Beiträge zeigten, dass sie trotz großer Herausforderungen über erhebliche Potenziale zur Veränderung verfügen.

Zentrale Empfehlungen:

  • Besserer Zugang zu Informationen in Landessprachen sowie in Dari und Paschtu
  • Unterstützung von kleinen Unternehmen und Selbsthilfeinitiativen zur wirtschaftlichen Eigenständigkeit
  • Schaffung von Begegnungsräumen wie z. B. Frauencafés zur Vernetzung und zum Austausch

Rahmenprogramm und Ausklang

Zwischen den Programmpunkten gab es Raum für Austausch – unter anderem in einem eigens eingerichteten Frauencafé sowie beim gemeinsamen Essen. Teilnehmerinnen aus Österreich und anderen europäischen Ländern diskutierten aktuelle Herausforderungen und Kooperationsmöglichkeiten.

Zum Abschluss wurden afghanische Frauen für ihr Engagement in verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen ausgezeichnet.

The conference ended on a high note with live music from Freshta Sama and Masih Shadab .

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